In dem Theaterstück „Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare geht es drunter und drüber – im verzauberten Wald von Athen treffen drei Handlungsstränge aufeinander und verwirren sich zu einem dicken Knoten – und entwirren sich am Ende wieder. Die Hauptgeschichte dreht sich um den Adeligen Egeus, der Demetrius zu seinem Schwiegersohn machen will. Seine Tochter Hermia weigert sich jedoch und flieht mit ihrem Geliebten Lysander in den Wald. Aber das ist noch nicht alles! Nebenbei bereiten Handwerker in einem abgelegenen Wald ein Theaterstück für diese Hochzeit vor. Soweit Shakespeare vor 430 Jahren…
Stellt euch nun statt des Adeligen Egeus eine Mutter und Besitzerin eines veganen Cafés vor, Egea (hochgeschlossen und richtig schön zickig gegeben von Sarah Seiderer), Demetrius als Demetria (raumgreifend, wortstark: Eilin Langeloh) und die Handwerker als die Bediensteten in diesem Café.
Diese vier haben eine extra Betrachtung verdient. Younilli Yassy vermag es, als Peter Quince angemessen genervt ihre chaotische Schauspielerbande zu führen: Allen voran Nick Bottom, den Esma Gürkan kongenial verkörpert und mit ihrem weichen rheinischen Zungenschlag sowohl dem prahlerischen Alleskönner ihre Stimme verleiht als auch später dem Esel, in den sie verwandelt wird. Elina Thanasidou ist der begriffsstutzige Robin Starveling, der sich beschwert, dass er „alle“ Rollen des kleinen Stücks im Stück spielen muss und Karli Erhard der übereifrige Francis Flute, der mit „Chill!“ aber auch mal schafft, der Hysterie eine Grenze zu setzen.
So hat das TheoTheater das Stück umgeschrieben, denn wer kann sich schon mit Adeligen assoziieren, die vor über 400 Jahren gelebt hat?
Die Sprache des Stückes, eine Mischung aus heutiger Umgangssprache und der Sprache der Zeit Shakespeares, schafft eine lebendige und ironische Atmosphäre. Die Figuren tragen Kleidung, wie wir sie tragen, sprechen wie wir heute und leben in einer Welt, in der auch wir leben. Diese Neufassung verleiht den Figuren eine neue Tiefe, ohne ihre ursprüngliche Essenz zu verändern, und lässt uns somit besser mit dem Stück fühlen und die Hintergedanken besser verstehen. Mit ziemlich einfach gestaltetem Bühnenbild und Kostümen kann das TheoTheater mit den beeindruckenden Schauspielerinnen und Schauspielern die Geschichte verdeutlichen.
Und die geht so weiter: Demetria investiert in das Café und die Mutter will, dass Hermia (strahlend: Giulia Schneider) mit ihr zusammenkommt, um die Investition zu sichern. Das Ganze wird noch spannender: Hermia und ihr Verlobter Lysander (lang aufgeschossen und spießig-verliebt: Karl Vasen) haben ihre eigenen Pläne, während Demetria und Hermias beste Freundin, Helena (Lisi Müller), im Liebeswirbel stecken. In dem Wald leben Elfen – der Elfenkönig Oberon (ganz zart und fast tänzerisch: Marielle Neuhaus) und seine Ehefrau, die Königin Titania (ein Hingucker mit ihren spitzen Elfenohren, die schon ein bisschen auf ihre spätere erzwungene Verbindung mit dem Esel Bottom hinweisen: Beatrice Zaidman), streiten sich und mit ihrer Zauberei mischen sie sich ordentlich in das Leben der Menschen ein. Dadurch gerät vor allem Helena in den Strudel und es gefiel mir besonders gut, wie Lisi Müller als verzweifelte (von Demetria) Nicht-Geliebte zur (von Lysander) Zu-Sehr-Geliebte durch den Wald zu Demetria hin- und von Lysander wegrannte.
Der absolute Star des Abends war aber der Puck, der alle Fäden in der Hand hielt, immer auf der Bühne war, das Geschehen in der „Realität“ und im „Traum“ erklärte, absichtsvoll-unabsichtlich falsche Liebespartner durch die Liebesblume stiftete. Lara Hudaszek-Hamad wirbelte im zarten Elfenkostüm und verschmitzt-ironischem Lächeln durch diesen „Sommernachtstraum“ und machte ihn für uns alle zu einem unvergesslichen Theaterabend!
Mit dieser Version von Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ ist dem TheoTheater eine originelle und provokative Perspektive auf den Klassiker gelungen!
Amina Al Waija, 9 c